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Gedanken zu Olga Tokarczuk

Verantwortlicher Autor: Schura Euller Cook Wien, 02.12.2021, 20:01 Uhr
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Wien [ENA] Da ist ein Sehnen, ein Flüchten und ein sich ins Nichts auflösen Wollendes in Olga Tokarczuks Literatur, in der wie im Erzählband "Unrast" das "Dunkel durch die Haut dringt" und sich die "Töne in sich zusammen rollen." Immer ist man bei ihr irgendwie am Rand der Welt, die man "absichtslos beim Spiel ertastet." Wie ein kühler, geheimnisvoller Wind wehen Olga Tokarczuks Sätze aus ihrer polnischen Heimat herüber.

Dabei verliert sich wie in der Erzählung "Der Baum der Erkenntnis" Annuschka im Metrosystem von Kiew, das Tag und Nacht Menschen einsaugt und blutentleert wieder auswirft. Die Rolltreppen tragen alle diese Wesen direkt in die Unterwelt der Metro, wo das Jüngste Gericht stattfindet. Aber der Abgrund ist für Annuschka überall, auch in den oberen Stockwerken ihrer Wohnsiedlung, wo sie wohnt und davor flüchtet. Alle Ebenen vermischen sich für die Psychologin Tokarczuk, die sich in der Tradition von Carl Gustav Jung sieht, dessen Theorien sie als Inspiration sieht. Geboren 1962, studierte sie Psychologie an der Universität von Warschau und arbeitete später an einer Klinik. Danach führte sie einen Kleinverlag und begann zu schreiben.

Eigentlich ist da nichts Besonderes in Olga Tokarczuks empfindsamer Prosa, die zwar durchaus gekonnt das Grau des Daseins in Worte und Bilder fassen kann, aber sich damit doch nur an das schon oft Beschriebene annähert. Manchmal blickt sie auch über den Rand der Welt, wie in "Ur und andere Zeiten" wo sie mit einem magischen Realismus das ostpolnische Städtchen Ur mit seinen merkwürdigen Bewohnern von Erzengeln bewachen lässt. Und doch hat sie 2018 den Nobelpreis für Literatur für Polen errungen und ist damit zum Sprachrohr für dieses Land geworden, dass sich gerade selbst finden möchte. Da kommt Olga Tokarczuk gerade recht, mit ihrem Sehnen und Träumen nach einer anderen Welt und ihrer feinen Kritik am ewig Unzulänglichen.

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